Schon seit geraumer Zeit bemühte sich die Stadt Stade um ein traditionelles Schiff, dass die maritime Tradition aufzeigen sollte und das einstige Stadtbild mit stolzen Rahseglern und Schoonern im Hafen, die in alle Welt fuhren, wiederbringen sollte. Angetrieben wurde das Projekt von Joachim Fielitz, Rektor des Schulzentrums Hohenwedel in Stade, der selber jahrelang zur See gefahren war. Nach mehreren Angeboten, berichtete Gerd Bahr, Rektor der Grundschule in Stade – Bützfleth, im Dezember 1981 von einem Ewer in Wischhafen, der „Passat“.

passatNach eingehender Substanzprüfung hatten die Stadtväter dann endlich die Gelegenheit recht günstig einen der letzten Elbewer zu bekommen. Stader Bürger, die Fachkenntnisse mitbrachten und sich bereit erklärten die „Passat“ ehrenamtlich zu restaurieren, besiegelte das Weiterleben des Schiffes. Es wurde der Gedanke geboren, das Schiff so zurestaurieren, dass es einerseits original wiederhergestellt, das historische Stadtbild zu bereichern und andererseits als funktionsfähiger Ewer, wie vor Jahrzehnten die Elbe und unsere Küsten, befahren kann. Als Garant dafür, dass die „Wilhelmine“ das wahre historische Aussehen eines Ewers zurückbekam, engagierte sich Manfred Wolf in vorbindliche Weise und absolut fachmännisch für dieses Projekt. Er entwarf alle Bauzeichnungen und stellte die Verbindung zu den einzelnen Firmen her.

 

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Im Frühjahr 1982 wurde das Schiff nach Stade verholt und an den Ausrüstungskai der 1976 geschlossenen Stader Schiffswerft gelegt. Im April stellten zwei Schwimmkräne die „Passat“ auf den alten Werftkai. Und so vernahmen die älteren Stader Bürger eines Morgens im Mai 1982 vertraute, aber lange nicht gehörte Geräusche vom alten Werftgelände am Hafen. Dort lag die „Rostlaube Passat“, die ihren alten Namen „Wilhelmine“ wieder tragen sollte, hoch und trocken. Unter kritischen Blicken der Stader Öffentlichkeit begannen eine große Anzahl Schülerinnen und Schüler des Schulzentrum Am Hohenwedel, die sich freiwillig meldeten, mit der Arbeit.

 

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1982 und 1983 sollten die Jahre der groben, dreckigen und mühseligen Arbeiten werden: entrümpeln, Aufbauten abbrennen, die Bilgen säubern, Rost klopfen, mennigen, fegen – immer wieder fegen. Doch unverdrossen kamen die ca. 30 Mädchen und Jungen immer wieder und es bildete sich eine verschworene Gemeinschaft, die unbeirrt auf das ferne Ziel hinarbeiteten. Als die völlig verdreckten und verschmierten Schüler abends nach Hause kamen, ließen bei vielen Eltern Bedenken aufkommen, was das denn wohl mit der Seefahrt zu tun hat.

 

Sie wurden allerdings nicht allein gelassen…

Von weiteren Schulen in und um Stade fanden sich Lehrer, die anfallende (in Bereiche unterteilte) Aufgaben aufgrund ihrer Vorbildung oder Fähigkeit leiteten:

  • Die Hauptschule in Bützfeth fertigten Betonquader und Rundeisenstücke an, die als Ballast dienten. Unter Einbeziehung der Maschine waren dann nahezu 11t Ballast so in der Bilge verteilt, dass das Schiff stabil liegen wird. Der Rektor Gerd Bahr, verbrachte Kunststücke im Restaurieren einer alten Ladewinde und anderer Teile.
  • Schüler der Berufsbildenden Schulen unter der Leitung von Herrn Süling waren verantwortlich für den Innenausbau der alten Frachtluke zum Mannschaftsraum.
  • Einige Schüler, mit dem Lehrer Herr Hasselhoff der Hauptschule Thuner Strasse beteiligten sich mit dem Bau der Greetinge (hölzerne Auflagen auf Deck oder Aufbauten)
  • Frau Stappenbeck nähte mit Ihren Mädchen der Textil – AG der Hauptschule Hohenwedel den Wimpel der „Wilhelmine“, der noch heute bei Anlässen gesetzt wird.
  • Herr Born Lehrer und Schlossermeister von der Realschule Hohenwedel führte mit zwei Jugendlichen schwierige Schweißarbeiten aus.

Nicht nur die Schulen beteiligten sich bei der Ausführung dieses Mammutprojektes, auch Privatleute unterstützten die Arbeit durch Spenden:

Familie Knopp aus Drochtersen und andere Familie aus dem Kehdinger Land stellten einen ganzen Lastwagen voller Beschläge und alter Ewerteile zur Verfügung, die restauriert und wieder eingesetzt wurden. (Bild Ewerteile)

Einige Firmen trugen auch ihren Teil bei und stifteten Material:Scannen0006web

Die Firmen Oellerich und von Rönne lieferten Farben, Firma Possehl half bei der Einrichtung der Küchenzeile.

Den Liegeplatz auf der Werft und Arbeitsstunden, in denen Paul Schindler ein hölzernes Beiboot baute, hatten wir der Fa. König zu verdanken.

Fa. Hagenah aus Himmelpforten sandstrahlte den Rumpf von außen und das Innere der Ladeluke, um einen „malwürdigen“ Zustand zu bekommen. Zudem wurde der Rumpf kaltverzinkt. Inzwischen war der GL (Germanischer Lloyd) vor Ort und hat durch Ultraschallmessungen bescheinigt, dass der Rumpf an den meisten Stellen „wie neu ist“.

Ebenso halfen das THW und die Feuerwehr bei Einsätzen, wenn „Not am Mann“ war.

Großer Dank richtet sich an die richtigen Experten Herrn Kaiser und Herrn Wolf, die es mit Fingerspitzengefühl verstanden, den Originalewer mit seiner künftigen Funktion als Jugendsegler zu verbinden

Der hohe Maschinenaufbau verschwand zugunsten eines Niedergangs mit zwei Skylihts an Deck und in der Niedergangsklappe. Leider entfiel auch die gemütlich eingerichtete Achterkajüte, weil sie durch ihre Höhe den späteren Gesamteindruck stören würde. Das Quarterdeck wurde abgesenkt und bekam durch die Fa. v.d. Heyde eine neue „Laterne“ (Decksaufbau mit Skylight).

Vorn wurde der Pallpfosten und die Nagelbank montiert und nach den Vorschriften des GL ein Kollisionsschott eingeschweißt. Ferner wurde eine Verbindung von Mannschaftsraum durch das Kabelgatt an deck geschaffen, als Notausstieg.

schanz malen 80Und ehe der Winter hereinbrach, hatten die Schüler den ersten Farbanstrich aufgetragen.

Nun konnten die Stader Bürger von der anderen Hafenseite aus sehen, was sich auf der Werft getan hat. Ende 1983 waren auch Bohrungen für die Waschbecken, die Toiletten für die Maschinen und den Echolotgeber im Bugbereich fertig.

Die größte Hilfe verdanken wir den Stader Stadtvätern, die mit viel Interesse und Geduld so manche harte DM „locker machten“

Der besonders arbeitsintensive und zugleich sehr wichtige Bereich war die Instandsetzung der Maschine. Im Inneren des Schiffes sah ein 4 - Zylinder Jastram – Diesel von 1928 durch fehlende Pflege und Wasser im Maschinenraum seinem Ende entgegen. Der durchgerostete Schlammtopf hatte in Verbindung mit einem offenen Seeventil mindestens eine Selbstversenkung, (u.a. auch die im Jahre 1978/79) bewirkt. Weitere Schäden waren eine festgerostete Einspritzpumpe, ein geplatzter Zylinder, durch nicht abgelassenes Kühlwasser bei Frost. Batterie und Lichtmaschine waren verschollen, Buchsen und Lager waren ausgeschlagen und natürlich war dicker Rost vorhanden, so weit das Auge reichte.

Trotzdem entschloss man sich die Maschine als Entwicklungsgeschichte dieses Ewers zu betrachten und sie zu erhalten. Entscheidungshilfe dazu war das Angebot eines Cuxhaveners Unternehmers einen 4 – Zylinder Jastram gleicher Bauart mit 60 PS zum Schrottpreis zu überlassen. Trotz Ihres hohen Alters macht sie bei „Marschfahrt“ ca. 5 Kn (8,5 kmh), ist dabei aber immer noch so leise, dass man neben dem Schott sanft einschlummern kann.

Dennoch waren Umbauten vorgesehen, die die Schiffsicherheit erhöhten und die Bedienung bei wechselnder Besatzung ermöglichten:

Eine Besonderheit blieb aber erhalten:

Die schon erwähnten Vorbesitzer berichteten, dass sich das Getriebe nicht ohne weiteres umschalten ließ, der Gang ging nicht rein, bzw raus.

Deshalb hatte man einen muskulösen Jungmann bei Manövern so im Maschinenraum postiert, dass er mit einem kräftigen Ruck den verklebten Konus lösen konnte (dafür prägte sich im Laufe der Jahrzehnte der Ausdruck „Brechstangengetriebe“ ein). Dieses gelang jedoch nicht immer:

So geschah es die „Wilhelmine“ ex „Passat“ just im Stader Hafen aufgrund des nicht zu lösenden Konus die Kaimauer rammte und eine deutliche Beule knapp über der Wasserlinie an Steuerbordseite davontrug, die noch heute zu erkennen ist.

Weiß gestrichen und mit liebevoll abgesetzter Maschine, geputzten Kupferrohren, grünen Flurplatten, roten Pumpen wurde der Maschinenraum zu einem viel bewunderten funktionstüchtigen kleinen Technikmuseum.

Den Job als „Chef im Maschinenraum“ wurde Hans Georg Schürings, Lehrer der OS Hohenwedel, zuteil, welcher aus dem Maschinenbau kommt und die Jugendlichen mit der Schifftechnik vertraut machte. Außerdem war er verantwortlich für den Bau der fast 5 m langen formverleimten Pinne.

Sehr beliebt waren auch die Fahrten zur Abwrackwerft in Hamburg – Moorburg. Es war für die Schüler ein großes Abenteuer durch die alten Schiffveteranen, die z.T. mit „Pütt un Pannen“ verkauft worden, zu streifen.

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Im Winter 1983/84 war an Deck alles soweit angebracht und konserviert, dass die Masten im März 1984 gesetzt werde konnten. Masten, Gaffeln, Bäume, Klüverbaum und Seitenschwerter aus nordischer Lärche lagen neben dem Schiff. Da das Anfertigen dieser Dinge natürlich nicht von Schülern zu leisten war, machte sich Paul Schindler (Fa. König) an diese Arbeit.

Nachdem das Rigg geliefert wurde nahm die „Wilhelmine“ immer mehr Gestalt an, so dass der Termin zum 2. Stapellauf kommen konnte.